Margret Eicher: Erste Nacht

Titel und Motiv der Tapisserie beziehen sich auf das in feudalen Systemen seit dem Mittelalter bekannte Recht des Lehnsherren auf die Brautnacht mit der Verlobten eines Untergebenen. Erste historische Überlieferungen des herrschaftlichen Rechts der ersten Brautnacht werden sogar bereits im Epos Gilgamesch (3. Jahrtausend v.Chr.) historisch belegt. (Tafel 2, Zeile 144) Hiernach fordert der Herrscher Gilgamesch zum Zeichen seiner Macht das ius primae noctis für sich ein.

Von manchen Anthropologen wird das ius primae noctis als Pervertierung eines vorchristlichen Rituals gesehen. Jungfräulichkeit war mit einem starken Tabu (Zauber) belegt, welcher nur von einem König/Zauberer/mächtigen Mann aufgehoben werden konnte. Jeder andere Mann würde Schaden erleiden.

Die bekanntesten künstlerischen Bearbeitungen des Themas sind Mozarts Oper „Hochzeit des Figaro“ und Passagen in George Orwells Roman „1984“ (Teil 1, Kapitel 7):(„Es gab auch etwas, was das Jus primae noctis genannt wurde, was wahrscheinlich nicht in einem Lehrbuch für Kinder erwähnt worden wäre. Es war das Gesetz, nach dem jeder Kapitalist das Recht hatte, mit jeder Frau zu schlafen, die in einer seiner Fabriken arbeitete.“) Das ius primae noctis steht hierbei in einer Reihe klischeehaft überzeichneter Schilderungen der kapitalistischen Übelstände, die durch die Revolution abgeschafft seien.Unbestreitbar stellt das „Recht der ersten Nacht“ ein geradezu unverschämtes Instrument derMacht der damaligen Establishments dar, in der neben dem Machtanspruch eines Mannes über den anderen auch die Persönlichkeitsnegierung gegenüber den Frauen zum Ausdruck kommt.

Die Tapisserie „Erste Nacht“ basiert motivisch auf zwei Dolce&Gabana-Werbungen. Die zentraleFigurenkonstellation einer am Boden liegenden Frau und eines über ihr knienden Mannes verursachte im Werbekontext öffentliche Kritik wegen der als Vergewaltigung lesbaren Pose.Diese unterstellte und gleichwohl nachvollziehbare Andeutungläd das Motiv auf mit Assozioationen sexueller Benutzung und Entpersönlichung, was durch die inszenierte Bezugslosigkeit der Personen unterstrichen wird. Eine Endzeit-Clique der besseren Gesellschaft amüsiert sich gelangweilt-lasterhaft am Rande eines höfischen Anwesens. Die „Straße“ als gesellschaftlicher Ort greift jedoch bereits Raum (verwahrloste Mauer). Ein Mann( vielleicht der wahre Bräutigam niedrigen Standes?) versucht, die Mauer zu überwinden und Lara Croft, als Tomb-Raider-Protagonistin bekannte brutale Kämpferin für das Gute flankiert einer Erzähler-Figur gleich die Szene